Kaum zu glauben, dass dieses
untergewichtige, blasse Mädchen mit mittlerweile wasserstoffblondem
Haar in gewisser Anlehnung an Madame Gaga eine derartige
Anziehungskraft ausübt, welcher man sich schwerer entziehen kann als
dem teils doch recht gefälligen Kaugummi-Pop dieser Band. Eineinhalb
Stunden ließen sie und ihr - nennen wir ihn - Partner Ethan Kath die
Meute warten, ein DJ versuchte, das bunte Kollektiv aus Goths,
Studenten, Avril-Lavigne-Lookalikes und Verirrten zu unterhalten.
Die, die zu viel Sportschau gesehen hatten und Robert Smiths
Reinkarnation erwarteten, nippten unsicher am Bier und checkten die
Champions-League-Ergebnisse. Mehr als launiges Zuckeln mit den Händen
in der Hosentasche war jedenfalls nicht aus dem Publikum
herauszubekommen. Eine Vorband hätte die heikle Lage eh nicht
gerettet, da mir spontan keine Band einfällt, die einigermaßen das
wiedergibt, was das Duo Glass/Kath so unverwechselbar macht. Fast ein
wenig zu schnell dann die Plage in Form des gleichnamigen Songs.
Manche munkelten ja, dass das dritte Album nun endgültig ein
Konsenswerk sei, eben jene hätten nicht mehr daneben liegen können.
„III“ ist vor allem mal wieder so ein Typ Album, welches sich
live entfaltet. Und ja, der Sound war schlecht und nicht gemessen am
Ambiente der Location übermäßig gut, so wie beispielsweise Intro
schrieb. Zumeist bohrte sich ein fieser Bass in den Kopf, der das
Publikum völlig ausrasten ließ. Nur selten gönnten uns Crystal
Castles eine Ruhepause, vor allem Alice Glass hüpfte veitstanzgleich
über die Bühne und verirrte sich nur selten am Synthesizer, um dann
zusammen mit Kath der Menge mit schalem, irgendwo den frühen
1990er-Jahren entliehenem Big Beat einzuheizen. Und die Hits wurden
alle gespielt. Sei es der im Verhältnis zum restlichen Material
geradezu als Stadion-E-Trash durchgehende Song „Not In Love“, das
scootereske „Baptism“, welches ziemlich fies danach klingt, wenn
man durch die imaginäre Brille von Alice Glass schaut. Oder eben
„Celestica“ als Popsong für die Bestatter. Überhaupt ein
Wunder, dass diese überdrehte Amazone, die man wohl nicht einmal mit
der gesamten kanadischen Jahresproduktion an Ritalin ruhigstellen
könnte, zwischendurch nicht einem von uns Verrückten ins Gesicht
springt und die Augen auskratzt. Ist der Bass noch so fies, der
Synthesizer noch so präsent, Glass' Stimme findet immer noch einen
Weg mitten in die Magengegend. Und wenn das nicht reicht, hauen sie
Dinger wie „Insulin“ heraus, ein kranker Shit-Cocktail, der Amy
Winehouse noch vor ihrem ersten Album den Rest gegeben hätte. Das
Ganze wurde dann noch mit „Kerosene“ übergossen und
selbstverständlich abgebrannt. Richtig feierlich wurde es bei
früheren Nummern wie „Alice Practice“ oder aber „Crimewave“,
der heimliche Liebling des Publikums, das sich zumindest in den
vorderen Reihen gnadenlos selbst abfeierte. Interaktion mit selbigem
seitens der Band suchte man vergebens. Die Band kam nahezu ohne
Ansage mit einer kurzen Entschuldigung hinsichtlich der Verspätung,
das war es dann auch. Kath versteckte sich erwartetermaßen hinter
den Keyboards. Dazu noch ein Drummer, Christopher Chartrand, um ihn
hier einmal namentlich erwähnt zu haben. Was bleibt nach so einem
Abend? Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, sich zu ziemlich
schlechter Musik zerstört zu haben und versucht auf Nachfrage
Interessierter, zu erklären, warum gerade dieses Konzert so famos
war, wo doch eigentlich nichts wirklich stimmte. Und vielleicht ist
es auch gerade das Schöne, ja, vielleicht Unbeschreibliche, dass die
Musik von Crystal Castles irgendwie funktioniert, weil in ihr alles
steckt, was schlecht ist. Vielleicht sogar schlechter als das
Erbrochene von eben jener Alice Glass, die sogar singen könnte, wenn
das nicht so abwegig und gefällig wäre. Damit verbunden ist aber
auch das erhabene Gefühl, eine Art elitäre Schrottinsel gefunden zu
haben, die nur Insidern vorbehalten ist. Insofern klarer Punktsieg
für den Trieb, für das Es.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen